Demo Neumarkt

Demokratie braucht Rückgrat - Demonstration für unsere offene Gesellschaft und gegen Hetzparolen

Am 17. Februar 2020 riefen der CDU- und der FDP-Kreisverband Dresden, sowie die Sächsische Bibliotheksgesellschaft, der Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden, die Katholische Kirche in Sachsen und die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen zu einer gemeinsamen Demonstration unter dem Motto „Demokratie braucht Rückgrat“ auf. Zu der Demonstration auf dem Dresdner Neumarkt kamen etwa 2.500 Teilnehmer.

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Rede von Sebastian Kieslich zur Kundgebung „Demokratie braucht Rückgrat“ am 17.02.2020 auf dem Neumarkt

Liebe Freunde, liebe Mitbürger,

Montagabend bin ich lieber bei meiner Familie, doch heute bin ich wegen meiner Familie hier auf dem Platz. Meine Kinder sind 8 und 11 Jahre alt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in den 1980er Jahren als 9jähriger nach Dresden kam. Die Stadt war knapp 40 Jahre nach Ihrer Zerstörung noch schwer vom Krieg gekennzeichnet. Ruinen wie das Dresdner Schloss und leere Flächen prägten trotz Centrum Warenhaus und Kulti das Bild der Innenstadt. Am markantesten aber war der Trümmerhaufen der Frauenkirche, an den jährlich am 13. Februar viele Dresdnerinnen und Dresdner Kerzen zur Erinnerung und Mahnung gegen Krieg und Gewaltherrschaft entzündeten und dort stehen ließen. Für mich war das ein sehr einprägsames Zeichen der Versöhnung verbunden mit der Botschaft: NIE WIEDER! Nie wieder Krieg, nie wieder Gewalt!

Vor gut 30 Jahren durfte ich als 15jähriger – auch noch vor dem Trümmerhaufen der Frauenkirche – die Rede von Bundeskanzler Helmut Kohl hören. Zehntausende waren auf dem Platz hier versammelt und Fernsehkameras aus der ganzen Welt verfolgten die Versammlung. Für mich war es damals eine Aufbruchsstimmung – die Menschen wollten das alte System hinter sich lassen. Sie hatten den SED-Staat mit seinen Lügen, seiner Bevormundung und dem Eingeengt sein satt. Die Menschen wollten nicht mehr fremd- sondern selbstbestimmt ihren Weg gehen.

Selbstbestimmung heißt neben seiner eigenen Geschichte auch vom anderen zu wissen, den anderen in seiner Art, in seinem Denken und in seiner Lebensweise zu respektieren. Kurz: die Würde des anderen anzuerkennen und ihn menschlich zu behandeln. Es ist daher sehr befremdlich, dass heute wieder – wenige Meter von uns entfernt – Leute unterwegs sind, die gegen unsere freiheitliche Demokratie und ihre Repräsentanten Stimmung machen und Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Aussehens und Andersseins aus unserer Gesellschaft ausschließen wollen. Das hat mit den Werten des christlichen Abendlandes nichts gemein! Ganz im Gegenteil: Es zerstört und macht unser Land, unsere Stadt kaputt!

Dazu gehört die Forderung, dass die Erinnerungskultur vor allen Dingen und zu allererst die großartigen Leistungen der Altvorderen betonnen soll, wie es Björn Höcke vor drei Jahren in Dresden sagte. Der AfD-Vorsitzende Gauland legte mit der Aussage noch nach, dass die NS-Zeit nur ein Vogelschiss wäre, der zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werde. Hier zitiere ich Bundespräsident Roman Herzog, der am 17. Januar 1999 in Auschwitz sagte: „ Für mich jeder Versuch, die Verbrechen des Nationalsozialismus aus der geschichtlichen Erinnerung auszublenden, letztlich nur eine besondere Form intellektueller Feigheit. Und wenn ich mich unserer Geschichte zu stellen versuche, versuche ich das auch nicht in Schande, sondern in Würde.“

Ich will weiter in einem Land leben, das auf seine gesamte Geschichte schaut und jedem Menschen auch seine Geschichte lässt. Ich will in einer Gesellschaft leben, die integriert und Menschen gewinnen will, mitzugestalten. Helmut Kohls Worte vom 19. Dezember 1989 auf diesem Platz sind aktueller denn je: „Wir wollen eine Welt, in der es mehr Frieden und mehr Freiheit gibt, die mehr Miteinander und nicht mehr Gegeneinander kennt.“ Das sollte Richtschnur deutscher Politik bleiben.

Vielen Dank!